Der Treidlerweg

Flussaufwärts wurde seit dem 8. Jahrhundert getreidelt, das heißt, Knechte zogen das Schiff vom Ufer aus an einer langen Leine, die an einem Mast im Vorschiff befestigt war. Treidelpfade und Treideldienst waren überörtlich organisiert. Außerdem wurden die Flusskähne stromaufwärts auch mit langen Stangen gestakt. Gabelförmige Eisenschuhe solcher Stangen sind zahlreich gefunden worden, auch in Speyer.

Für die Bergfahrt war die Treidelei durch Menschen- oder Pferdekräfte nötig, wenn wegen zu geringer Takelage oder bei Windstille das Segeln nicht möglich war. Je nach dem Zustand der einzelnen Stromabschnitte waren sieben bis zehn Mann ( oder ein Pferd ) für eine Ladung von 10 bis 15 t erforderlich.

Treidelei hat es schon in römischer Zeit gegeben, der Begriff wird allerdings erst 1180 in Köln verwendet. Am nördlichen Oberrhein ist „Treideln“ erstmal 1358 nachgewiesen, und zwar zu Nieder-Ingelheim. Oberhalb von Speyer bei Schröck ( heute Leopoldshafen/Baden ), wo der Rhein seinen Lauf häufig änderte, gab es weder einen künstlichen noch einen natürlichen Leinpfad. Hier treidelte man mit Menschen, die wohl auch durch flaches Wasser in Ufernähe waten mußten. Die Schwierigkeiten des Treidelns in Mittelalter und Neuzeit bezeugten immer wieder Klagen der Schiffer über den schlechten Zustand der Leinpfade, die meist nur aus schmalen Knüppeldämmen bestanden .

Für das Treideln von etwa 2000 Zentnern Fracht wurden zehn bis zwölf Pferde benötigt. Dies sieht man z.B. auf der Ansicht Bingens von Matthäus Merian ( Kupferstrich um 1645 ). Auf manchen Strecken wurden mehr als zweihundert Männer zum Treideln eines Lastschiffes gebraucht.

Von Treidler oder Halfen

Mit schweren Lasten flussabwärts fahren ist leicht, weil das Schiff mit der Strömung schwimmt. Es muss nur auf Kurs gehalten werden. Anders ist es bei der Bergfahrt. Da muss nicht nur die schwere Last bewegt, sondern auch die Strömung überwunden werden. Das erfordert viel Kraft. Vor der Erfindung der Dampfschiffe haben Jahrhunderte lange Menschen und Tiere diese schwere Arbeit leisten müssen, denn Segeln war im engen Tal des Mittelrheins nur selten möglich. Voraussetzung dafür, Schiffe vom Land aus stromaufwärts zu ziehen, waren ufernahe Wege.

Diese Wege an den Ufern – wie auch entlang des gesamten Stadtgebietes Remagen – heißen heute noch Leinpfade, weil von ihnen aus die Schiffe an langen Leinen gezogen wurden
( Bei Schiffsleuten gibt es kein Seil, sondern nur Leinen ). Andern Orts heißen die Wege Treidelpfad. Das Wort „treideln“ leitet sich von dem lateinischen Wort „trahere“ ab, was soviel wie ziehen heißt. Wie so oft wurde auch hier mit der antiken Technik das lateinische Wort in unsere Sprache übernommen.

Um die Lastschiffe zu ziehen, hatten die Römer bereits an den Flussufern befestigte Wege gebaut. Da ufernahe Werge durch Hochwasser und Eisgang besonders gefährdet sind, blieb von den römischen Treidelpfaden kaum etwas erhalten. Zwar wurden von den Königen und später von den Landsherren Zölle für die Instandhaltung der Wege erhoben, jedoch die Einnahmen aus den Wegezöllen schnell für andere Aufgaben verwendet. Letztendlich blieb die Arbeit den Einwohnern der Dörfer und Städte am Rhein die für den Unterhalt der Leinpfade herangezogen wurden. Sie mussten auch dort, wo Bäche oder Nebenflüsse in den Rhein mündeten, sichere Furten anlegen oder Brücken bauen.

Die Technik des Treidelns hat sich in den Jahrhunderten nur wenig geändert. Nachen und kleinere Schiffe wurden zumeist von Menschen gezogen, vor größere spannte man Pferde. Das Kummetgeschirr der Treidelpferde musste besonders stark sein, um den hohen Belastungen standzuhalten. Die Arbeit der Treidler und ihre Pferde war hart und gefahrvoll. Bei Wind und Wetter, bei Hitze und Kälte mussten sie die Pferde antreiben, denn den Schiffseignern und Händlern ging es nie schnell genug.

Das Treideln war für die Pferde qualvoll. Ständig mussten sie schräg im Zug gehen und wurden deshalb bald kreuzlahm. Länger als zwei, drei Jahre hielt kein Gaul diese Schinderei aus. Täglich waren die Pferde 12 bis 14 Stunden im Geschirr, immer von der Peitsche getrieben. Meist saßen die Halfen, so wurden die Treidler auch genannt, seitwärts auf den Pferden, um rasch abspringen zu können. Das war oft nötig, denn schnell konnte es gefährlich werden. Wenn etwa ein Schiff durch falsches Steuern in die Störmung abtrieb, drohte es die Pferde mitzureißen.

 

 

Der Rhein vor 1817

Wenn die Pferde scheuten und durchgingen, wenn die Leinen rissen oder wenn sich ein Pferd ein Bein brach – die Leinpfade waren oft in einem miserablen Zustand – dann musste rasch gehandelt werden. Konnten die anderen Pferde das Schiff halten oder mussten rasch die Leinen gekappt werden, damit nicht alle Pferde in den Strom gerissen wurden? Für den Fall hatte jeder Treidler immer ein langes Messer griffbereit, denn die Pferde waren ihr Betriebskapital. Wenn die Leine gekappt war, mochte der Schiffer sehen, wo hin sein Schiff trieb.

Wie viel Pferde vorgespannt wurden, hing vor allem vom Gewicht der Ladung und von der Strömung ab. Ein Pferd zog je nach Wasserstand 10 bis 15 Tonnen stromauf. Meist genügten fünf bis sieben Pferde, manchmal mussten auch zehn vorgespannt werden. An einem Tag konnten je nach den Wege- und Zollverhältnissen 10 bis 35 Kilometer zurückgelegt werden. Zeitraubend war immer der Wechsel von einem Ufer zum anderen, der Überschlag wie die Halfer das nannten. Bei einem Überschlag wurden zuerst die Pferde auf das Schiff verladen und dann halfen die Pferdeknechte, das Schiff auf die andere Stromseite zu rudern.

Aber oft standen an einer solchen Überschlagstelle auf der anderen Rheinseite neue Pferde bereit. Am Mittelrhein zwischen Koblenz und Bingen kamen die Schiffe besonders langsam vorwärts, weil hier oft auf das andere Ufer gewechselt werden musste.

Die harte Arbeit machte die Halfen zu rauen Gesellen. Die Fuhrmannssprache war noch nie leise und höflich. Bei den Halfen kam noch hinzu, dass sie ständig laute Kommandos zum Schiff rufen mussten, um den Steuermann vor Hindernissen zu warnen. Das gehört zu den Aufgaben der Halfer. Der vorderste Reiter wurde auch „Wahrschauer“ genannt. Das ständige Rufen, die Hitze und der Wind machten trockene Kehlen. Die mussten abends in der Halferschenke angefeuchtet werden.

Heute gibt es ja noch das Wort vom Fuhrmannsschnaps. In den Wirtshäusern waren die Treidler wegen ihrer Rauferein und Messerstecherein gefürchtete Gäste. In Kripp kehrten die Halfen gerne ins „Rheingöld“. Reich ist trotzt der harten Arbeit kein Treidler geworden. Im sozialen Gefüge standen die Leinenschlepper unter den Halfen. Es waren arme Gelegenheitsarbeiten, die vor allem auf der schwierigen Strecke am Ufer neben den Schiffen herliefen, um die Zugleine über die Felsklippen und Ufergestrüpp zu heben.

Der Rhein und seine Aue - Altrheinarme in Hördt

Der Rhein ist uns gewöhnlich als Band zwischen den Völkern, als geduldiger Lastträger für Schiffe und als Hintergrund weinseliger Herbstabende in Erinnerung. Bei näherem Hinsehen entdecken wir auch die Bedeutung des Stromes als willkommenen „Vorfluter“, das heißt als Fortleiter des östlich anfallenden Wassers und Abwasser, sowie seine Bedeutung für den Grundwasserhaushalt und damit auch für die Versorgung der angrenzenden Region mit Trinkwasser und Brauchwasser.

Auch die Nutzung der Wasserkraft des Stromes gewinnt in einer Zeit, da die Begrenztheit und die Risiken der nicht erneuerbaren Energien zunehmend erkannt werden, in unserem Bewusstsein an Bedeutung. Das Bild vom Rhein wandelt sich, wenn unerwartet die Wasserstände zu lehmigbraunen  Hochfluten anschwellen und mit zerstörerischer Gewalt in die zivilisierte Ordnung eindringen, Schäden der Verwüstung hinter sich zurücklassen.

Man muß sich dabei vor Augen führen, daß der Strom mit seinen Ansprüchen vor den Ansprüchen des Menschen gewesen ist und daß die Landschaft, wie wir sie heute am Rhein vorfinden, über lange Zeiträume unbeeinflusst und allein von der Kraft des Stromes gestaltet worden ist. Die im Lebens- und Erfahrungsbereich eines Menschen einmalige Erfahrung eines großen Hochwassers ist in der zeitlichen Dimension der Entstehung und Entwicklung von Flusslandschaften als eine durchaus regelmäßige und wiederkehrende Erscheinung zu sehen.

Rheinaue und Rheinniederung

Die Rheinaue ist das Gelände beiderseits des Flusses, in dem der Wasserstand zwischen Überflutung und Trockenfallen periodisch schwankt. Diesen Wasserständen entsprechend folgt auch der Grundwasserspiegel. Die Aue wurde vom Fluß durch Ablagerung von Geschiebe ( mitgeführte Feststoffe wie Geröll, Kies, Sand oder Lehm ) oder durch Abtragung ( Erosion ) gestaltet. Durch vom Menschen errichtete Dämme wurde die natürliche Aue künstlich eingeengt.

Das gesamte Gebiet auf beiden Uferseiten aber, das der Fluß auch durch frühere Verlagerung seines Bettes gestaltete ist die Rheinniederung. Die Aue als Übergangszone vom Wasser zum Land lebt von den wechselnden Wasserständen im jahreszeitlichen  Rhythmus, gesteuert von der zufälligen zeitlichen Folge der Witterungserscheinungen im Einzugsgebiet. Während der Mensch diese Zone der wechselnden Wasserstände eher als lebensfeindlich empfindet, bietet gerade die Aue für viele Pflanzen und Tiere allein die Lebensräume, die sich zur Erhaltung und Ausbreitung ihrer Art benötigen.

Auf weiten Strecken wird der Einflussbereich des Stromes durch einen mehr oder weniger deutlichen Geländesprung in der Landschaft begrenzt, der als Hochufer oder Hochgestade bezeichnet wird. Dieser Geländesprung markiert die Rheinniederung als vom Fluß gestaltete Fläche, die sich unterhalb der Niederterrasse über einige Kilometer Breite ausdehnt. Während die höher gelegene Niederterrasse hochwassersicher ist, konnte vor der Eindeichung des heutigen Stromlaufs die Rheinniederung vom Hochwasser je nach Lage des Flussbettes, unterschiedlicher Höhenlage im Feinrelief und Ausprägung der Flutwelle erreicht werden.

Heute steht dem Rhein in der betrachteten pfälzischen Niederung noch ein  Überschwemmungsgebiet von rd. 100km² zur Verfügung. Die restliche Rheinniederungsfläche ist der Überflutung bei Hochwasser durch Deich- und Dammbauten zu beiden  Seiten des Rheins entzogen.

Die hinter dem Deich gelegene Niederungsflächen ist zu einem überwiegenden Teil landwirtschaftlich genutzt, wird aber mit zunehmenden Maße für Siedlung, Gewerbe und Verkehr in Anspruch genommen. In einigen Bereichen, wie im Bereich Hördt, haben sich in niedrig gelegenen Flächen der „Altaue“ hinter dem Deich unter dem Schutz vor Hochwasserüberflutung Biotope entwickeln können, die heute unter Naturschutz stehen.

Die Rheinbegradigung

Bevor der Mensch regulierend in den ursprünglichen Rheinlauf eingriff, veränderte der Fluss bei Hochwasser oder Stauung von Treibeis immer wieder sein Flussbett. Kiesablagerungen im Rheinvorland unterhalb der beiden Hochufer zeigen, wie der Rhein vor Tausenden von Jahren verlief.

Den unberechenbaren Oberrhein bändigen und die Anwohner auf beiden Seiten des oft mehr als einen Kilometer breiten Gewässer vor immer wiederkehrenden Überschwemmungen zu schützen, das war vor der 1817 begonnenen Rheinregulierung kaum möglich.

Johann Gottfried Tulla (1770-1828)

Den ersten Versuch, am Oberrhein einen Rheinbogen zu begradigen, genehmigte Kurfürst Ruprecht II. im Jahre 1391. Vor Germersheim half eine Flusskürzung, die Burg vor der Unterspülung zu retten. Weitere Rheindurchstiche im 16. und 18. Jahrhundert bewahrten Sondernheim und Hördt vor Schaden. Vor 1817 war der Rhein, der heute in ein großes Bett gezwängt ist, ein Fluss aus unzähligen Nebenarmen, Windungen und Inseln, dessen unterschiedliche Wassertiefen den Schiffsverkehr stellen weise einschränkten. Hochwasserdämme auf beiden Seiten des Flusses, oft auf Regionen beschränkt und meist zu  niedrig, konnten die wochenlangen Überschwemmungen in den Rheinniederungen, die dem immer wiederkehrenden großen Hochwasser folgten, kaum verhindern.

Es war vorauszusehen, dass irgendwann der Rhein auch die ersten Wohnhäuser erreicht. Nach dem verheerenden Hochwasser von 1821 beschwerte sich der um sein Dorf besorgte Bürgermeister Schlick bei der Behörde mit dem Spruch: „Wenn nicht bald was passiert, liegt 1909 Lingenfeld im Rhoi“. Damit es nicht so weit kommt, plante bereits 1801 die damalige französische Behörde an der engsten Stelle des Rheinbogens „Halbinsel Grün“ einen Rheindurchstich.

Der scheiterte aber am Widerstand der Rheinsheimer. Im Glauben, sie verlieren dadurch Wald und Feld, wurden nachts die Abmesspflöcke für den neuen Rheingraben herausgerissen. Der massive Widerstand verzögerte die Rettungsaktion vor Lingenfeld um weitere 25 Jahren. Die vom badischen Oberst Johann Gottfried Tulla ( 1770 – 1828 ) ausgearbeiteten Pläne einer Regulierung des Oberrheins waren in der napoleonischen Zeit aus Geldmangel gescheitert. Doch die schlimmen Überschwemmungen im Jahr 1816 brachten die Oberrheinanlieger an einen Tisch.

Das für die Pfalz zuständige Königreich Bayern, das Großherzogtum Baden und Frankreich einigten sich am 26. April 1817 mit einem Staatsvertrag der die Verantwortung und Finanzierung der einzelnen Durchstiche am Oberrhein regelte. Nach den Plänen Tullas sollte aus dem an manchen Stellen überbreiten Rhein mit Inseln und zahlreichen Nebenarmen ein einheitliches 240 Meter breiten Hauptrheinbett geschaffen werden, das bei Hochwasser für einen schnelleren Wasserfluss sorgt.

Nicht alle betroffenen Gemeinden sahen in dem Vorhaben einen Vorteil. Bereits 1814 verprügelten und vertrieben aufgebrachte Bewohner aus Leimersheim den von der badischen Regierung mit Vermessen und Abstecken des Durchstiches beauftragten Ingenieur mit seinen Helfern. Nur der Einsatz von Militär konnte die Störenfriede vertreiben. Zunächst wurde 1817 mit sechs 830 bis 3300 Meter lang Durchstichen am Rheinschleifen und Biegungen der gemeinsamen bayrisch – badischen Rheinstrecke ab Maximiliansau bis Neupotz begonnen.

Treidlerweg am Rhein

Das brachte eine Verkürzung von etwa zehn Kilometer, was dort den Hochwasserspiegel durch den schnelleren Ablauf um eineinhalb Meter senkte. Diese positive Erfahrungen ermutigen 1815 die Anrainerstatten zu einer neuen Übereinkunft. Mit 1400 bis 4500 Meter langen Durchstichen vor Leimersheim, Germersheim ( heute Insel Elisabethenwörth ) Rheinsheim 1 und 2 (1 ist heute die „Insel Grün“ bei Germersheim), Angelhof ( zwischen Speyer und Otterstadt ) und Friesenheim mit 4590 Meter waren 1827 weitere 12,5 Kilometer Rheinlauf begradigt. 1867 waren die Grabungsarbeiten und Dammbauten längs der pfälzisch – badischen Rheingrenze abgeschlossen.

Das Ergebnis seiner Planung erlebte der Flussbaumeister Tulla nicht. Er starb am 27. März 1828 in Paris. Der einst wilde Oberrhein längs der Pfalz und Baden – Württembergs ist heute ein geordneter Wasser- und Schifffahrtslauf, der nach Tullas Idee von 135 auf rund 85 Kilometer verkürzt wurde. 


Literatur:
Bericht von der Rhein - Pfalz
28.04.20013 von Alfons Heil

Buch: Der Rhein und Pfälzische Rheinebene

Buch: Speyer und der Rhein von Prof. Dr. Günther Stein